Genealogische Communio

Hans-Joachim Sehrbundt

Genealogie ist ein Teil in der Sinnsuche des Lebens.
Sie ist rückwärts gerichtet, in das Jetzt bezogen und hat einen Hauch von Zukünftigem.

Die Erforschung des Vergangenen könnte die Relativität der Gegenwart aufzeigen, wenn denn beides empfunden würde.
Ein schablonenhaftes Aufdecken und Ermitteln fördert zwar scheinbare Fakten, welche aber nicht immer Gerüstcharakter besitzen.

Die Genealogie wird bisweilen als Hilfswissenschaft angesehen ohne dass etwas darüber ausgesagt wird, wem Sie denn zuarbeitend hilft. Hilfswissenschaftlichkeit hat den Charakter eines Hilfsmittels, eines Rollstuhls für den Lahmen.

Damit ist sie in eine Ecke eingegliedert und stellenwertig festgelegt. Der "echte" Wissenschaftler kann mit ihr umgehen, so wie die Hausfrau mit dem Sonntags- und Alltagsgeschirr.

Vergangenheitsaufhellung ist nicht nur psychotherapeutischer Seelenbalsam - man findet seine Würzelchen in der Mini Evolution - sondern dient auch der Gegenwartsetablierung.
Im Zeitalter des Verlustes jeglicher Traditionswerte, der Inkonstanz von Definitions- und Daseinssinngebung, reicht der Ermittlungsfaden bis in die Zeit hinein, in der diese Umbrüche noch nicht die Denkweise bestimmten. Die seinerzeitigen Turbulenzen sind längst verstrudelt, auch würden sie aus unserer bedeutungsschweren Zeit heraus anders gewertet werden.
Dieses Wohlgefühl, eine private und persönliche Verbindung zur Vergangenheit zu besitzen, gibt Sitzfestigkeit in dem Heute oder denen gegenüber, welche nicht darum wissen. Man hat eine scheinbare Selbstverständlichkeit in den Turbulenzen, Insel und Anker zugleich.

Die so entstandenen gefühlten und realen Schöpfungen vermitteln einen Bezugsraum, welcher eine kleine zweite Erlebniswelt zur augenblicklichen existieren lässt, eine Parallelwelt. Sie besteht aus Vergangenem, Gegenwärtigem und eventuell Zukünftigem.

Geht der forschende, besser gesagt der suchende Genealoge etwas weiter, so bindet er seine Ergebnisse in die lokale Geschichtlichkeit und das seinerzeitige Großgeschehen mit ein, welches auch die epochalen Geistesströmungen umfasst.

Die Zeit wird ausgeschnitten und persönlicher, zugeschnitten auf einen definierten Personenkreis, welcher sich nun durch die Zeiten bewegen kann, weil er bekannter wurde.

Diese Neuschöpfungen sind ebenso unterhaltsam-reizvoll wie schillernd amüsant.
Sie dienen nicht zuletzt der eigenen Feststellung und sollten Anlass zum Innehalten bieten, zum Nachdenken über die eigene Vergänglichkeit. Genealogischer Relativismus, eine Spielart seines großen Bruders, ebnet ein ohne zu erkennen. Es ist der biegsam- zerbröselnde Baustein des Geschehens.

Diese Ergebnisse über die Vergänglichkeit, das Vergehen und Werden selber sind in die Schöpfung eingebettet, sowohl in Teilbereichen und im Ganzen. Das Gesamtwesen der Genealogie ist ein fortwährendes Entdecken des Geheimnisses der Schöpfung und damit der Liebe Gottes, es unterliegt nicht dem persönlichen Belieben und seinen relativen Gesetzmäßigkeiten.
Es ist die Liebe Gottes zu den Menschen, der ihnen das Leben gibt und sie wieder zum Vater führt.

Es ist aber auch die Heilige Eucharistie, welche über Jahrhunderte hinweg Generationen verband und verbindet, die Liebe von der Heiligen Dreifaltigkeit ausgehend zu den Menschen, um in ihnen und mit ihnen eins zu werden.

Diese heilige Geschenk und Opfer Christi verband und verbindet uns in Wahrheit mit unseren Altvorderen im Lebendigen Sein, im Opferlamm. Ostern, der Sieg über den Tod, die Auferstehung sollte auch in die große und kleine persönliche Evolution mit aufgenommen werden. Ostern ist Bestandteil des evolutionären Geschehens.
In der Auferstehung löst sich auch die Genealogie wieder auf.

Für den Genealogen ein überraschender Aspekt, da die vermeintliche Endgültigkeit des Todes so endgültig nicht ist.
ER ist das vom Himmel gekommene Brot des Lebens, von dem auch unsere Vorväter aßen. Das Gebet vor der Eucharistie verbindet uns mit ihnen und IHM selber in der Communio. Diese unauflösliche Gewissheit ist Grundlage aller genealogischen Bemühungen - oder sollte es sein.

 

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