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Der Haydenreich Epitaph |
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Der Nördlinger Haydenreich Epitaph erzählt ebenso von der Heidenreichschen Kreuzfahrervergangenheit wie auch von dem 1675 verstorbenen Ratsherrn Haydenreich. Der imposante Epitaph gliedert sich in mehrere Teile, im Zentrum steht die Kreuzesabnahme des Leibes Christi, im Hintergrund erscheint das stilisierte Jerusalem, Golgatha und der Abtransport des Leichnams in die Grabkammer. Ein Teil der Christus Betrauernden weist personenbezogene, wenig verklärte oder gar engelhafte Gesichtszüge auf, eventuell sind Familienangehörige des Ratsherrn als „doppelt" Trauernde dargestellt. | |||||
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Unten, im Ehrenkranz seiner Verdienste, der Ratsherr Haydenreich, wohlgenährt mit einem Lipömchen oder einer Warze dargestellt.
Die realistische Darstellung setzt sich in dem leichten Strabismus fort, die Augenfarbe ist braun. Die Augenbrauenfalten könnten von Energie und Strenge zeugen, die schmale Oberlippe auf Beherrschtheit und Denkschärfe, die fülligere Unterlippe auf eine gewisse Form der Lebensfreude. Die Korpulenz weist in diese Richtung. Ein sehr heiterer Mensch scheint unser Urahn nicht gewesen zu sein, eher skeptisch-streng oder prüfend-misstrauisch.
Das Haar ist realistisch schütter dargestellt, eben Altmännerhaar, die männlichen Hormone versiegten wohl schon zur Zeit der Darstellung. Sehr gesund sieht unser Ratsherr nicht mehr aus, vermutlich wurde das Bild in späteren Jahren, kurz vor seinem Tode, dargestellt. Ein Schlaganfall als Hypertoniefolge oder ein Herzinfarkt raffte ihn wohlmöglich dahin, auch könnte das ungesunde Hautkolorit auf eine Nierenerkrankung hinweisen.
Das Wappen der Haydenreichs ist interessant, weist es doch eine verblüffende Ähnlichkeit mit dem Großwaltersdorfer Heydenreich Wappen auf.
Die Zentralfigur ist ein junger Exot - wohl ein ehemaliger Muslim. In seiner Rechten hält er drei auffällige geschnitzte Blumen, die der Autor, Hans-Joachim Sehrbundt, noch nicht botanisch exakt zu klassifizieren vermochte. Entweder handelt es sich um eine Wildrosenart (rosa canina oder rosa cinnamomea oder die rosa pendulina), ebenso könnte es sich jedoch auch um den türkischen Pfeffer handeln (Capiscum annuum). Die blaue Himmelsleiter (Polemonium caeruleum) wäre wegen des Aussehens und frommen Bezuges ebenfalls in die Überlegungen einzubeziehen. Leider weisen die drei Blumen keine die Bestimmung vereinfachenden Blätter auf.
Vielfach wurden jedoch auch Phantasieblumen dargestellt, allerdings erscheint dies, bei der sonstigen Realitätstreue des Epitaphs, unwahrscheinlich. Auch sei an die vielfältige Rosensymbolik erinnert. Dies bedarf einer späteren Deutung.
Auffällig sind bei dem jungen Dargestellten die edlen Gesichtszüge, die „gesunde" Hautfarbe, die Bräunung und die Nasenpartie. Eine solche Hautfarbe wurde erst mit der Zeit des modernen sportiven Jugendlichkeitswahns, ab etwa 1970, modern. | |||
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Ähnliche Profile finden wir in assyrisch-babylonischen Darstellungen, man begegnet ihnen heute noch in Israel, Syrien, Palästina und dem Libanon. Vielfach traf der Verfasser auf seinen zahlreichen Weltreisen, hauptsächlich im vorderen Orient, auf ähnlich wohlgeformte Gesichter und Menschen, ähnlich dem im Wappen abgebildeten Jüngling. Die Kopfbedeckung besteht aus einem Turban und einer „phrygischen"Mütze, die freien Sklaven trugen letztere im alten Rom, später bemächtigte sich ihrer die französische Revolution. Hesekiel(Hes.23:14,15) beschrieb „überhängende Turbane" chaldäischer Krieger (hebr.:tevulim). Natürlich trug man im Lande der Muslime weder einen Turban noch Kleidung in den Nördlinger Stadtfarben. | |||||
Dies ist eine „Eindeutschung" oder ein Assimilationsversuch des Epitaphkünstlers. Stellt er doch damit zwei Dinge klar: Der Epitaphjüngling ist erstens Christ und zweitens Nördlinger, welcher auch in Nördlingen, im Nachhinein zu Hause ist, obwohl er wohl niemals da lebte. Er gehört eben mit dem Wappen nach Nördlingen, so wie der Sarottimohr auf seiner Pralinenschachtel zu Hause war.
Auf dem Wappenhelm thront nochmals mit himmelwärts gerichteten "frommen" Augenaufschlag der Jüngling in gleicher Montur auf einem turbanähnlichen Sitzkissen. Die linke Hand ist leer, der früher offenbar vorhandene Speer fehlt, dies ist an der dafür vorgesehenen Handkehlung erkennbar. Der Speer mit der eisernen Spitze und den Wurfstabilisatoren am Schaft deutet auf ein nichteuropäisches Kriegsgerät hin. Diese Waffe war bei Kreuzfahrern unüblich.
Bemerkenswert sind zwei Putten im oberen Bereich, rechts und links, welche wappenähnliche Schilde in der Hand halten. Eines zeigt einen Pelikan, Symbol für das Leiden Christi. Thomas von Aquin: "Laß Jesus, Herr und Heiland, treuer Pelikan, von Deinem Blut mich Reinigung empfahn." Das andere stellt fremdländische Bogenpfeile mit einem Horn dar.
Weitere Deutungen der wappenähnlichen Strukturen, auf denen der Pelikan dargestellt ist, insbesondere die Blüten, bedürfen noch der eingehenden Betrachtung. | |||||
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Der Epitaph zeigt zentral die christliche Glaubensverankerung der Familie, weist aber wappenmässig auf die Vergangenheit der Familie hin, es wird an die Teilnahme an den oder die Kreuzzüge erinnert.
Um den abgenommenen HERRN gruppiert sich im Bild selber die vorbereitende Grablegung, rechts oben, links in gleicher Höhe ist die Schädelstätte mit dem leeren Kreuz zu sehen. Um Christus versammeln sich die Trauernden, zu denen sich auch Engel gesellen.
Der Epitaph ist von innen, von Christus her gesehen, nach außen aufgebaut, er entwickelt sich erzählend von Christus her in die profane Welt hinein. | ||||||
Christus ist das Zentrum des Glaubens, das Alpha und Omega, um ihn gruppiert sich konzentrisch das Epitaphgeschehen.
Über allem steht eine himmlische Figur, früher sicher ein Banner in der Hand haltend. Oft tragen solche frommen Fahnen die Aufschrift: Siehe das Lamm Gottes, der Welt Sünde tragend.
Dies ist jedoch eine Vermutung, denn der ursprüngliche, in der Hand gehaltene Gegenstand, ist nicht mehr vorhanden.
Am unteren Ende des Epitaphs befindet sich unser Urahn, weit unterhalb des himmlischen Geschehens, wohl aber in seiner Nähe. | ||||||
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Oberhalb der Kreuzesabnahme steht selbstbewusst das Haydenreichsche Wappen. Es umrahmt schützend das fromme Bildgeschehen. Das Wappen hat seinen Platz verdient, kündet es doch von vergangenen Taten zur Befreiung der | |||||||
Heiligen Stätten. Damit reihte man sich _ zumindest im Nachhinein - in die Militia Christi ein. Deshalb steht dem Wappen ein Ehrenplatz, an beschützender Stelle, im Epitaph zu.
Der offenbar bekehrte Turbanträger gibt Zeugnis von den Taten der Kreuzfahrer, offenbar wurde er mit als „Andenken"in die | |||||||
Heimat gebracht, so wie man heute Souvenirs und Fotos mit bringt, er dokumentierte und unterstrich Stattgehabtes. Von den Kreuzzügen brachte man wohl einen oder mehrere bekehrte Heiden mit, eventuell tötete man ebenso viele im Heiligen Land oder unterwegs. Daher mag auch der ursprüngliche Namen stammen, oder man legte ihn sich nach den Kreuzzügen zu. Zumindest scheint es, dass der Kreuzfahrer seine Heimat wieder sah, also nicht im Heiligen Lande siedelte oder unterwegs umkam.
Der Epitaph ist ein erzählendes Geschichtsbuch, er wurde mehrfach restauriert, was dabei weg fiel, oder dem jeweiligen Restaurator nicht gefiel, mag dahin gestellt sein. | |||||||
Dies soll einen kleinen ersten Überblick geben. Viele Fragen bleiben offen, so zum Beispiel nach der Bedeutung des übergroßen Ankers, dazu gibt es mehrere Deutungsmöglichkeiten.
Die Auftraggeber des Epitaphs, entweder die Familie des Verstorbenen oder der Verstorbene zu Lebzeiten, oder der Rat der Stadt, wussten recht genau über die Historie der Familie Haydenreich Bescheid. Entweder brachte man die Kenntnisse | |||||||
der Familiengeschichte mit aus Großwaltersdorf oder man stand mit der Stammfamilie in enger Beziehung. Trotz der beherrschenden Nördlinger Stadtfarben im Epitaph ist die alte Familienhistorie wie in einem Bilderbuch aufgezeichnet.
Dies ist ein kurzer fragmentarischer vorläufiger Deutungsversuch. | |||||||
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Kurz vor Drucklegung des Buches erhielt der Autor diese Abbildungen dankenswerterweise von Herrn Eduard Brunner aus Nördlingen, Mesner der St. Georgskirche ebendort, dies veranlasste ihn sodann zu der dargestellten Betrachtung.
In einem der nächsten Bände unserer Genealogie werden wir uns unter Zuhilfenahme der vorhandenen Literatur dem Epitaph näher widmen, steckt er doch voller verschlüsselter Symbolik, welche uns noch einiges über die Heidenreichs insgesamt preisgeben wird. | ||||
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